Geschichten

Eine kleine Geschichte von Liebe

„Könnt Ihr ein Liebespaar sein? Glück und Angst? 
Könnt ihr zusammen gehen?
Traut ihr euch?“
 
„Oh, nein, mit der Angst will ich nicht gehen, die verhindert doch mein Sein!“
„Ach, mit dir Glück macht es gar keinen Spass, Angst zu sein, du verhinderst ebenso mein Sein!“
 
„Also, kein Liebespaar?“
 
„Was machst du denn so, Glück?“
„Ich bringe Freude zu den Menschen, zaubere Lächeln auf ihre Gesichter, lasse sie Freunde finden und viel Schönes erleben!“
„Und, was machst du denn so, Angst?“
„Ich verhindere, dass Menschen etwas Schlimmes passiert, ich bewahre sie vor Unglück, Schmerz und Gewalt. Durch mich erstarren sie oder spüren, dass sie nicht weitergehen sollten.“

„Hm, interessant, geht das Hand in Hand?“
 
 „Ich glaube, das ist schwer, wir behindern uns doch sehr!“
„Mich in meinem Tun und dich in deinem.“
„Bist Du gerne Glück?“
„Ja, es ist die helle Seite, das Frohe und Strahlende, das ich verkörpern darf. Und du, Angst?“
„Manchmal mag ich mich gar nicht, weil ich eher dunkel bin, Menschen erstarren lasse, ihren Körper festhalte und sie sich durch mich nicht herauswagen aus ihren Verstecken. Aber manchmal bin ich auch stolz, weil sie nicht über den Abgrund gegangen sind, weil sie nochmal nachgedacht haben, auf der sicheren Seite geblieben sind.“
„Aber siehst Du auch die Wagemutigen, die sich trotz deiner Begleitung als Angst, hinauswagen und immer mehr Vertrauen finden, weil sie es –trotz dir- versucht haben, einen Baum zu erklimmen, durch einen See zu schwimmen, durch einen dunklen Wald zu gehen?“

„Ja, ich sehe das. Ich frage mich dann: Sind sie über mich hinweggegangen und haben mich ignoriert?“
Das Glück lacht:“ Aber Nein, ich glaube viel eher, dass sie noch intensiver ihre Glückserlebnisse spüren, weil sie dich die ganze Zeit bei sich hatten. Diejenigen, die dich wirklich ignorieren, die haben häufig Unfälle, tun sich weh oder verletzen andere. Und suchen ständig rastlos nach dem Glück, nach mir! Aber vielleicht gibt es mich gar nicht ohne dich?...“
„Und mich nicht ohne dich?,“ flüstert die Angst leise.
 
„Dann sind wir doch ein Liebespaar?“

Winter 2014